Abi-Ball 2002
Mit der Tanzformation "5 gegen Willi" schwappte eine Welle der Begeisterung durch den Saal.
Am 22. Juni 2002 erreichten die unzähligen Abi-Festivitäten ihren absoluten Höhepunkt, denn nach 13
Jahren perfekter Planung, vertieften Vorbereitungen und professionellen Proben luden die Ratsstars zum
Abi-Ball ins Stadthotel Gladbeck, um einen bunten Strauss reich an Bühnenzauber, Tanzakrobatik und
kulinarischen Köstlichkeiten zu präsentieren. Nach der morgendlichen Übergabe der Abiturzeugnisse
in der Aula ließ es sich noch unbeschwerter und doppelt so gut feiern, denn jetzt hatte man die jahrelang
erkämpften Resultate endlich Schwarz auf Weiß in der Hand. Der randvoll besetzte Festsaal ließ sich nach
der Stärkung am Buffet vor allem durch das abwechslungsreiche Programm verzaubern, durch das die Moderatoren
Benedikt und Sebastian führten.
Mit einer Mischung aus Akrobatik und Eleganz wurde die Pyramide mit Dancing Queen Andreas an der Spitze aufgeschichtet.
Der Zirtaki brachte Mannis Socken zum Qualmen. Gut das der Raum viele Fenster zum Lüften hatte.
Besonders viel Applaus für ihre Leistung erhielt vor allem die Tanzformation "Fünf gegen Willi", bei der
sich sechs der männlichen Ratsstars dazu ermutigt hatten, in rosa Röckchen ihr Ballett-Talent unter Beweis
zu stellen und.... ach, dieser Anblick lässt sich gar nicht in Worte fassen.
Rosen zum Abschied - Das hatten sich die Lehrer nach 9 Jahren verdient.
Mindestens ebenso erfolgreich waren weitere Show-Höhepunkte wie der umjubelte orientalische Bauchtanz
von Katharina und Ivonne oder der schweißtreibende Tanzwettbewerb mit Lehrer-Schüler-Pärchen.
Zum Ende des offiziellen Programms wurden die zahlreich anwesenden Lehrkörper dann noch mit Geschenken
für ihre jahrelangen Bemühungen überschüttet und auch ihrer Schule konnten die Ratsstars im wahrsten Sinne
des Wortes noch einen Stern vom Himmel holen, als Schulleiter Manfred Lauffs eine Urkunde über eine Sternpatenschaft
mit dem Stern "Ratsstar 2002" überreicht bekam. Bevor schließlich das Tanzbein bis tief in die Nacht geschwungen wurde,
rundete ein nicht ganz ernst zu nehmendes Gedicht über die Stufenmitglieder das Programm ab und spätestens zu diesem
Zeitpunkt wurde den Ratsstars wohl endgültig bewusst: Wir haben es geschafft!!!
-sebi
Rede zur Verabschiedung der
Abiturientia 2002 (22.6.2002) des Schulleiters Manfred Lauffs
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Liebe Eltern,
liebe Gäste,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor allem aber meine lieben Abiturientinnen und Abiturienten!
Der englische Dramatiker John Boynton Priestley
berichtete seinem Freund Arthur Koestler, nach der Lektüre von dessen Buch
"Die Wurzeln des Zufalls", in einem Brief von einem ganz merkwürdigen Ereignis:
"Mein Frau kaufte drei große Farblithographien von Graham Sutherland. Als sie
bei uns in London eintrafen, nahm sie die Bilder mit in ihr Schlafzimmer, um
sie am nächsten Morgen aufzuhängen. Sie standen gegen einen Stuhl gelehnt,
und das äußerste der drei Bilder, dessen Schauseite dem Raum zugewandt war,
zeigte eine Heuschrecke. Als meine Frau an jenem Abend schlafen ging, hatte
sie die ganze Zeit das Gefühl, etwas bewege sich in ihrem Bett. Darum stand
sie auf und schlug die Decke zurück. Im Bett saß eine Heuschrecke. Noch niemals
zuvor war in diesem Zimmer eine Heuschrecke gesehen worden, und auch später ist
das nicht wieder vorgekommen. Im ganzen Haus ist weder vorher noch später je eine
Heuschrecke gesehen worden." Einen ähnlich unwahrscheinlichen Zufall habe auch ich
selbst erlebt, und ich schwöre, dass es so passiert ist: Im Sommersemester 1970
saßen wir im Germanistikseminar der Universität Freiburg. Es war sonnig und heiß.
Der Dozent gab die Mittelhochdeutschklausuren zurück und sagte, da er wohl nicht
sehr zufrieden war: "Wenn einige von Ihnen bis zum Ende des Semesters nicht fleißiger
arbeiten, sehe ich für ihre Abschlussnoten schwarz!" Eine Sekunde später schlossen
sich - zentral gesteuert - die Sonnenschutzlamellen vor den Fenstern vollständig,
es war stockdunkel im Raum - bis sich nach einigen Augenblicken die Lamellen
querstellten und das übliche gedämpfte Licht gaben. Ein geradezu metaphorischer
Zufall, dessen Wirkung zunächst Stille und dann eine Art unsicheres Lachen
hervorrief.
Ihr Abitur fällt zufällig in das Jahr 2002, eine Zahl,
die sich spiegelbildlich - z.B. auf T-Shirts - darstellen lässt. Wenn so etwas
das nächste Mal passiert, wird es keiner von uns mehr erleben - die Abiturfeier
2112. Interessant wär's schon, vielleicht wird dann das Abiturzeugnis, wie Herr
Rüther schon länger prognostiziert, mit der Geburtsurkunde ausgehändigt. Aber so
weit sind wir noch nicht, Sie haben das Abitur aus eigener Kraft geschafft,
abgesehen vom Doping durch Kaffee, Tee, Eis und Pizza, und dazu gratuliere ich
Ihnen ganz herzlich im Namen der Ratsfamilie! Unsere Sekretärin erinnerte sich
vorgestern während des Abischerzes an die Anmeldung vor neun Jahren. Der kleine
Christian Springer reichte schüchtern sein Grundschulzeugnis über die Theke und
bat sie, doch einmal einen Blick auf die Noten zu werfen. Ob sie meine, dass er
damit das Abi schaffen könne. Sie meinte: ja, und sie hat Recht gehabt! Heute ist
die Sternstunde für ihn und die anderen hier anwesenden RATS-STARS, denn sie alle
haben die Reifeprüfung mit Bravour bestanden.
Bevor ich zu meinem heutigen Thema "Zufall" zurückkehre,
darf ich zunächst unsere Gäste begrüßen. Herzlich willkommen heiße ich Frau
Stellvertretende Bürgermeisterin Maria Seifert, Frau Bärbel Rietkötter als
Vorsitzende der Schulpflegschaft und des Fördervereins, Herrn Pfarrer Berger als
Vertreter der Kirchen und Johanna Hildebrandt, unsere Schülersprecherin.
Ich freue mich ferner über die Anwesenheit der Vertreter der Presse, die unsere
Arbeit stets mit kritischer Sympathie begleiten.
Wir haben nach alter Tradition auch wieder ehemalige
Schüler eingeladen: Vor 50 Jahren hat Herr Kruse sein Abitur gemacht, und vom
Abijahrgang 1977 sind eine ganze Reihe von Schülerinnen und Schülern gekommen -
ihr Sprecher ist Fritz Priebe. Herzlich willkommen am Ratsgymnasium! Der
prominenteste Abiturient von 1952 kann heute leider aus wichtigen familiären
Gründen nicht anwesend sein, es ist mein Vorgänger, Herr Schulteis. Er lässt
Sie herzlich grüßen und wünscht Ihnen Glück und Erfolg auf Ihrem Weg, den
Sie - ich zitiere aus seinem Brief - "zielbewusst, konsequent, mutig und
zuversichtlich gehen mögen, wohl wissend, dass man nicht bloß Zuschauer, sondern
stets aktiv auch Handelnder sein sollte."
Mit besonderer Freude begrüße ich Sie und gratuliere
Ihnen, liebe Eltern, denn wenn Sie Ihre Kinder nicht zur Welt gebracht, vor
Kälte geschützt, mit gesunder mitteleuropäischer Kost ernährt, mit Bildung
gefüttert und mit unerbittlichen erzieherischen Maßnahmen geformt hätten (etwa:
Heute machst du dir kein Abendbrot, heute machst du dir Gedanken!) - ja dann
säßen diese Ihre Kinder nicht hier und bekämen nicht in ca. einer halben Stunde
das entscheidende Zeugnis in die Hand gedrückt.
Herzlich begrüße ich auch meine Kolleginnen und Kollegen,
die Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, auf dem oft steinigen Weg von
Klasse 5 bis Klasse 13 begleitet haben. Sie alle haben daran mitgearbeitet, Ihnen
das Wissen und die Bildung zu vermitteln, die nötig sind, um die mit dem Abitur
verbundenen Qualifikationen zu erlangen. Stellvertretend nenne ich Ihren
Jahrgangsstufenleiter, Herrn Oberstudienrat Hans-Peter Jansen, und den
Oberstufenkoordinator, Herrn Studiendirektor Gerhard Schmidt!
Der Zufall, meine Damen und Herren, hat die Menschheit
immer wieder beschäftigt, der unglückliche wie der glückliche. Für die
Wissenschaftstheorie stellt sich das Problem, das Zustandekommen des Zufalls zu
erklären. Denn viele der Gesetze, die das Verhalten der elementaren Bausteine der
Materie beschreiben, kennen keinen Zufall, nur die Notwendigkeit. So wird der Zufall
bei Marx und Engels als "Schnittpunkt zweier Notwendigkeiten" erklärt. Was sich uns
als Zufall darstellt, ist offenbar eine Verkettung von bekannten oder ungenügend
bekannten Ursachen und ebensolchen Wirkungen. Besonders aufdringlich erscheint in
unserem Leben das Problem, wenn wir an die Begegnung zweier Menschen denken, woraus
sich zukunftsreiche Folgen ergeben. Man könnte den Gedanken hegen, dass bei kleinen
Abweichungen im vorausgegangenen Verhalten die Begegnung ganz sicher nicht zustande
gekommen wäre, dennoch glaubt man, dass man doch irgendwie sinnvoll zueinander geführt
wurde. Je weiter man darüber nachdenkt, desto mehr kann man in einen Schwindel geraten.
Auch die Evolution des Lebens auf unserem Planeten kann als Zufall der angesehen werden,
ja die Entstehung des Planeten Erde selber oder unsere ganz persönliche Existenz,
denn nur einer von mehreren Hundert Millionen Samenfäden hat sein Ziel erreicht, warum
nicht einer der Konkurrenten ? Aber schließlich kann immer nur einer Weltmeister werden!
Zufall oder Schicksal? Ist Schicksal nichts anderes als reiner Zufall, oder ist es
vorherbestimmt? "Gott würfelt nicht", meinte Albert Einstein und plädierte für eine
rational begründbare, kausale, gesetzmäßige Ordnung der Welt. Gewürfelt wiederum wurde
von Mathematikern, und das Resultat war die Wahrscheinlichkeitsrechnung, mit der sie
den Zufall in den Griff bekommen wollten. Sechs Richtige im Lotto zu tippen ist,
statistisch gesehen, völlig aussichtslos. Andererseits: Jeder Jackpot wird mit
Sicherheit irgendwann geknackt.
Die Literatur hat sich immer wieder mit dem Phänomen des
Zufalls befasst. Der Marquis Posa in Schillers Drama "Don Carlos" sagt: "Den Zufall
gibt die Vorsehung - zum Zwecke / muss ihn der Mensch gestalten" - was ja bedeutet,
dass es nachlässig wäre, sich dem blinden Zufall anzuvertrauen, und angeraten, aus
dem Zufall etwas Sinnvolles zu machen. Der Philosoph Herder sah die Macht, die
Gefährlichkeit und die Ungerechtigkeit des Zufalls, als er schrieb: "Die zwei
größten Tyrannen der Erde: der Zufall und die Zeit." Man denkt dabei an die vielen
Unglücke auf der Welt, etwa daran, dass zum Zeitpunkt des Attentats auf das World
Trade Center zufällig Tausende von Menschen Opfer des Verbrechens wurden, viele
andere zufällig nicht. Gläubige Menschen sehen im Lauf der Welt Gottes Fügung am
Werk, die Gräfin Orsina in Lessings Schauspiel "Emilia Galotti" sagt: "Das Wort
Zufall ist Gotteslästerung. Nichts unter der Sonne ist Zufall". Aber können wir
glauben, dass z. B. der Tod am 11. September eine Notwendigkeit in Gottes
Weltmechanismus war? Eine entscheidende Rolle spielt der Zufall in Dürrenmatts
Komödie "Die Physiker", die der Theaterkreis zum 25jährigen Jubiläum wieder
aufgeführt hat. Möbius' Plan, seine menschheitsbedrohende Erfindung im Irrenhaus
geheim zu halten, hätte funktioniert, wenn die Irrenärztin nicht zufällig selber
wahnsinnig wäre. Und so erläutert Dürrenmatt in seinen 21 Punkten zu den "Physikern":
"Die schlimmstmögliche Wendung ist nicht vorhersehbar. Sie tritt durch Zufall ein.
... Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu
treffen." In Tom Tykwers Film "Lola rennt" wird der Zufall zum Hauptthema: indem
dieselbe Handlung dreimal mit unterschiedlichem Verlauf durchgespielt wird, erweist
sich, wie geringe zeitliche Verschiebungen von Ereignissen über Leben und Tod, Erfolg
oder Misserfolg, Lottogewinn oder Drogensucht entscheiden.
Und wie viele Erfindungen verdanken sich dem Zufall! Am
bekanntesten ist die Geschichte von Newton und der Entdeckung des Gesetzes der Schwerkraft.
Als er in seinem Garten spazieren ging, sei zufällig ein Apfel vom Baum gefallen - und
blitzartig sei ihm die Erkenntnis gekommen, dass es ein und dieselbe universale Kraft
sein müsse, die den Apfel zur Erde zieht und die Planeten um die Sonne kreisen lässt.
Gut erfunden vielleicht. Der geniale Newton selbst hat anders geantwortet, wie er zu
dem Gesetz gekommen sei: "Day and night thinking!" Erkenntnisse können blitzartig kommen,
aber niemals völlig zufällig. Der Apfelfall geschah in dem Augenblick, als der
Gedankenschluss reif war.
Dagegen sind die merkwürdigen Zufälle des Alttagslebens harmlos,
dennoch aber immer wieder spannend. Vor zwei Wochen spreche ich mit meiner Frau darüber,
dass wir mal wieder öfter Rad fahren sollten, Bewegung ist ja wichtig, sagt nicht nur der
Arzt der deutschen Fußballnationalmannschaft. Dabei gehe ich an meinem Bücherregal entlang,
greife wirklich völlig willkürlich nach irgendeinem Buch in Augenhöhe, es sind Schopenhauers
"Aphorismen zur Lebensweisheit" von 1851, schlage irgendeine Seite auf, es ist rein zufällig
die Seite 33, und da steht: "Folglich sollten wir vor Allem bestrebt seyn, uns den hohen
Grad vollkommener Gesundheit zu erhalten, als dessen Blüthe die Heiterkeit sich einstellt.
Die Mittel hierzu sind ... täglich zwey Stunden rascher Bewegung in frischer Luft. ...
Im ganzen Inneren des Organismus herrscht unaufhörliche und rasche Bewegung: das Herz schlägt
... die Lunge pumpt .. die Drüsen saugen ...Wenn die äußere Bewegung so gut wie ganz fehlt,
so entsteht ein schreiendes ... Missverständnis zwischen der äußeren Unruhe und dem inneren
Tumult." Das ist schon unheimlich. Während derjenige, der sein Flugzeug verpasst, das danach
abstürzt, glauben kann, Gott oder der Zufall oder die Vorsehung oder die Fügung habe ihn
gerettet, fragt man sich andererseits, was die Vorsehung veranlassen sollte, eine Heuschrecke
in Mrs. Priestleys Bett zu stecken oder mich ein bestimmtes Buch greifen zu lassen. Koestler
schreibt: "Noch niemals hat jemand, soviel ich weiß, bei der Vorsehung Sinn für Humor entdeckt."
Aber den Tipp mit der täglichen Bewegung gebe ich gern an Sie weiter.
Ich komme zum Schluss: Es ist ein glücklicher Zufall, dass wir hier und
heute zusammen sind, und Sie alle haben heute Grund, besonders glücklich zu sein. Machen Sie etwas
aus Ihrem Glück, nehmen Sie die Zufälle ihrer Existenz, Ihre Familie, Ihre Freunde, Ihre Lehrer,
Ihre Begegnungen an der Universität und im Beruf, als Gegebenheiten und Chancen und arbeiten Sie
weiter an sich - denn Glück hat, wie das Sprichwort sagt, auf die Dauer nur der Tüchtige!
Unsere besten Wünsche begleiten Sie. Wir erwarten viel von Ihnen!
Engagieren Sie sich weiterhin für die Gemeinschaft, wie Sie es am Ratsgymnasium in vielfältiger
und das Schulleben bereichernder Weise getan haben, in der SV, im Sport, im Orchester, im
Theaterkreis, in der Schülerzeitung, in der Internet-AG - wofür ich Ihnen herzlich danken
möchte. Bereiten Sie bei den Bundestagswahlen, an denen Sie zum ersten Mal teilnehmen dürfen,
einer Partei eine entscheidende Niederlage: der Partei der Nichtwähler! Denken und kommen Sie
dann und wann zurück, damit wir erfahren, welche tollen Karrieren Sie gemacht haben, nicht
zufällig, denn Sie waren ja am Ratsgymnasium! Und vergessen Sie bei all Ihren Plänen, Zielen
und Beziehungen zu anderen Menschen nicht den Satz des Weisen Konfuzius, den der vor 125 Jahren
geborene und vor 40 Jahren gestorbene Hermann Hesse gern zitierte: "Das Wichtigste: Treue zu
sich selbst. Güte gegenüber den anderen."
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